Bei meinem ersten Besuch in Tanzania war mir aufgefallen, dass rund um die Kirchen gar keine Friedhöfe sind. Auf die Frage, wo sie denn ihre Verstorbenen begraben, wurden ich etwas perplex angeschaut. „Na, zu Hause!“
Inzwischen sind sie mir schon häufiger aufgefallen, die weißgekachelten Gräber zwischen den Bananen und Kaffeesträucher. Und auch die Sargschreinereien gehören zum Straßenbild dazu.
In der vergangenen Woche ist nach längerer Krankheit der Schwiegervater einer Bibelschulmitarbeiterin verstorben. Die Beisetzung sollte am Samstag bei der Mitarbeiterin zuhause stattfinden. Als wir in die Nähe des Hauses kamen, konnte man die Musik der Lautsprecher schon von weitem hören und auch der Pastor war schon dort.
Eine riesige Menschenmasse hatte sich versammelt und selbst mit gecharterten Dallas kamen die Menschen zu der Trauerfeier. Die meisten trugen ganz normale Sonntagskleidung, d.h. die Frauen bunte Kangas und die Männer die klassischen Anzügen. Die Trauerfarbe schien weiß zu sein. So trugen die Mitglieder der Familie und engere Freunde weiße Tücher.
Eine Menschentraube machte sich auf den Gang um den vor der Haustür aufgebahrten Sarg, um sich von dem Verstorbenen nochmal zu verabschieden. Dafür war auf dem verspiegelten Sarg ein Bild aufgestellt und der obere Teil des Sargs war noch aufgeklappt. Ruhig schlafend lag er dort.
Bevor der eigentliche Gottesdienst anfing positionierten sich die Familienmitglieder noch um den Sarg, um Fotos machen zu lassen. Dieses wurde durch den Moderator kommentiert und ein Kameramann hielt die komplette Feier mit seiner Digitalcamera fest. Danach sollte der Gottesdienst eigentlich beginnen, doch beim Weggehen der Familienmitglieder brachen zwei Töchter vor Trauer zusammen. Während der kompletten Zeremonie schien es mir ein auf und ab der Gefühle zu sein. Lautes, schluchzendes fast schon kreischendes Weinen wurde von gelassener Stimmung und während der Predigt sogar Gelächter abgewechselt. Dazu ertönte anfangs an Jahrmarktsmusik erinnernde Musik aus den Lautsprechern. Während der Zeremonie spielte dann eine Brasskapelle, die eher den Sound von Guggemusik hatte.
Ehe der Gottesdienst begann saß man zwischen den Kaffesträuchern und Bananenstauden verstreut in Grüppchen zusammen und unterhielt sich dezent. Zu Beginn des Gottesdienstes wurde der Lebenslauf tabellarisch verlesen. Als nach der ersten Strophe von „So nimm denn meine Hände“ der Sarg komplett verschlossen wurde, war ein weiterer Momente in dem die Stimmung kippte einige Frauen kreischend weinten.
Während die Liturgie und die Lieder auf Kiswahili waren, wurde die Predigt in einem Gemisch aus Kiswahili und Kichaga gehalten, so dass ich ihr nicht wirklich folgen konnte. Doch scheinbar traf der Pastor den Nerv der Menschen, denn sie amüsierten sich köstlich. Laut Lachend schlugen sie sich auf die Schenkel und tauschten sich über die Predigt aus, während sich der Prediger mehr und mehr in Rage redete – alleine ihm zuzusehen hatte einen hohen Unterhaltungswert (obwohl ich natürlich auch gerne verstanden hätte, worüber so herzlich gelacht wurde).
Nach der Predigt setzte sich die ganze Trauergesellschaft von mehreren hundert Besuchern auf dem Weg zum vorbereiteten Grab. Das war für mich schon ein seltsames Gefühl, bin ich doch bei einer vorherigen Essenseinladung auch durch dieses Feld gegangen, und nun wurde hier der Schwiegervater beigesetzt. Das Grab war in den vorherigen Tagen ausgehoben und von innen schon verkachelt worden. Hier hinein wurde nun der Sarg gestellt. Direkt nach dem Vaterunser wurde das Grab verschlossen.
Dafür mischten einige Männer mit Schaufeln auf dem Boden Zement an und füllten das komplette Grab mit diesem. Gemessen an der Menge, die gebraucht wurde ging das ziemlich fix und so sang man einfach ein paar Lieder und die Brasskapelle spielte noch einige Stücke.
Nachdem das Grab so verschlossen war, zogen wieder unter lautem Weinen Freunde und Familie an dem Grab vorbei und legten Blumen nieder. Wieder brachen einige der Frauen zusammen und wurden weggetragen. Als relativ neutraler Beobachter fiel es mir schwer einzuschätzen wie echt diese Form der Trauer war. Doch merkte ich, wie es auch mir nahe ging die Frauen so leiden zu sehen und meine Gedanken schweiften nach Deutschland. Darum zu wissen, dass es Menschen gibt, von denen ich mich nicht mehr persönlich verabschieden und bei deren Beisetzung ich nicht dabei sein kann wurde mir besonders in diesem Moment wieder einmal bewusst. Dass die Beisetzungsfeier, neben dem Abschied gleichzeitig die christliche Hoffnung auf die Überwindung des Todes durch das Ostergeschehen beinhaltet, wurde in meinen Augen durch das auf und ab der Gefühle deutlich zum Ausdruck gebracht.
Für das Ende der Zeremonie zogen wir wieder zum Haus. Es wurden die verschiedensten Grußworte gesprochen und nachdem unter den drei Söhnen eine Hose, ein Jacket und ein Hemd des Verstorbenen verteilt wurden, kam auch die Trauerfeier zum Abschluss. Zu den drei Söhnen setzte sich noch die Ehefrau schräg neben den Altar und nach dem Segen begannen der Pastor, die Evangelisten und jeder, der auf die Ehrenplätze um den Altar eingeladen worden war den Familienangehörigen zu kondolieren. Ehe dann der nicht abreißen wollende Menschenstrom kondolierte, wurden wir in das Haus des Verstorbenen eingeladen. Wieder einmal schwenkte die Stimmung um. Man unterhielt sich bei der obligatorischen Soda recht ausgelassen, bis das Essen kam. Das Bild des Verstorbenen stand nun im Regal und von dort schaute er auf unsere Teller herab.
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