Heute haben wir ein Straßenkinderprojekt in unserer Nachbarschaft besucht. Das klingt zunächst verwunderlich, wenn man bedenkt, dass wir hier eigentlich mitten auf dem Lande sind. Arusha ist ca 20km westlich und Moshi 60km östlich von uns. Mit dem Bus vom TCDC sind wir als ganze Wagenladung Weißer dort hingefahren worden und wurden dort bei strömenden Regen herzlichst empfangen.
Zunächst bekamen wir eine kleine Einführung in das Projekt das seit ca. 7 Jahren existiert und maßgeblich aus Holland unterstützt wird. 40 Jungs im Alter von 13-15 Jahren werden derzeit hier für 3-4 Jahre begleitet und sollen eine Art zuhause auf Zeit bekommen.
Hier in dem Center bekommen die Jungs eine Schulbildung und werden gleichzeitig auf einen Handwerksberuf (Schweißer, Schreiner, KFZ-Mechaniker) vorbereitet. Der Tages- und Wochenablauf ist ziemlich straff organisiert und das Zusammenleben mit einem Kontrakt geregelt. Wer dreimal schriftlich verwarnt wird muss die Einrichtung verlassen.
Die letzten 18 Monate, die die Jungs hier verbringen, soll sie auf ein eigenständiges Leben vorbereiten. Sie verdienen ein wenig eigenes Geld um auch den Umgang damit zu lernen. Ich konnte es mir nur schwer vorstellen, doch als Straßenkids haben sie relativ viel Geld zu Verfügung.
Die Geschichten der Jungs sind ganz unterschiedlich. Die meisten sind von zuhause weggelaufen, weil sie Stress mit Eltern/Stiefeltern oder Lehrern hatten und von anderen gehört haben, dass man in der Stadt wunderbar vom Klauen und Betteln leben kann. Die wohlgemeinte Hilfe von Weißen, bettelnden Kids Geld oder ein Essen auszugeben wirkt hier also eher kontraproduktiv und vergrößert die Attraktivität vom Straßenleben!
Im Anschluss an die theoretische Einführung wurden wir von einer ganzen Horde Jungs (immerhin waren wir ja auch eine ganze Horde Wazungus) umschwärmt, die uns auf Englisch und mit einem kräftigen Händedruck begrüßten. Jeder von uns bekam einen „personal Guide“ und wurde nun von einem der Kids über das Gelände geführt.
Ziemlich zielstrebig kam einer der Jungs auf mich zu und es war klar, dass er mich nun hier rum führen wollte. Er hieß Robert, war 15 Jahre alt und bereits seit 2 Jahren in dem Center. Hier macht er eine Ausbildung zum Schweißer und ist für die Versorgung der Hühner verantwortlich. Zuvor hatte er für mehrere Jahre in Arusha auf der Straße gelebt und ein schlechtes Leben geführt. Er hat Drogen genommen und Touristen bestohlen. Nun hofft er in spätestens 2 Jahren seine Ausbildung abgeschlossen zu haben und dann ein besseres Leben führen zu können.
Ich war überrascht wie leicht mir die Kommunikation mit dem Jungen fiel, war ich doch in den letzten Wochen durch die Menge der Grammatik und Vokabeln immer ein wenig „sprachgeblockt“. Zunächst führte uns unser Rundgang zu den Kuh- und Ziegenställen. Daneben wurde grade ein ziemlich großer Schweinestall gebaut. Obwohl sich dieser noch im Bau befand, waren schon die ersten kleinen Ferkel eingezogen und wuselten in zwei Stallungen umher. Draußen zeigte mir Robert die Biogasanlage, die derzeit nur durch den Kuhstall versorgt wird – später aber auch an den Schweinestall angeschlossen werden soll.
Weiter ging’s vorbei an den Dormitories zur Küche und den Essensplätzen. Hier wurde der europäische Einfluss ganz besonders deutlich. Kleine, überdachte Sitzgelegenheiten für jeweils 10 Kids erinnerten mich vielmehr an einen Grillplatz in einem deutschen Freizeitpark. Neben der Küche waren die Silos für Mais und Bohnen. Und auf der anderen Seite schloss sich die „Openair-Waschküche“ an, in der die Jungs ihre Wäsche selbst waschen und auch aufhängen können.
Während mir berichtet wurde, dass hier die Jungs selbst mitkochen gingen wir weiter zum Garten, indem Spinat, Salat, Tomaten, Möhren, Zwiebeln, Paprika und natürlich Bananen wuchsen. Auch hier waren einige Jungs zugange und hauten besonders rein, als wir vorbei zogen.
Nachdem wir auch den Hühner- und daneben den Kaninchenstall (das erste Mal, dass ich Stallhühner und Stallhasen in Afrika erlebt habe) besichtigt hatten, gingen wir weiter zu den Werkstätten. Auch hier herrschte rege Betriebsamkeit, doch mit größtem Interesse wurden wir verstohlen begutachtet.
Zu dem Center gehört auch ein kleines Safariunternehmen mit einer eigenen Lodge und einem Lory für mehrtägige Touren. Dieser wird auch von den Jungs gewartet und die Lodge mit Lebensmitteln versorgt.
Nach dem Rundgang zeigte mir Robert noch den Freizeitpavillon, indem sie jeden Sonntag Pool und Kicker spielen dürfen und sogar ein Fernseher ist. Hier schauen sie dann gemeinsam Filme und haben natürlich auch die Weltmeisterschaft verfolgt.
Bevor wir uns als Gruppe wieder trafen – natürlich zum obligatorischen Tee, verabschiedeten wir uns von einander.
Ziemlich beeindruckt ging ich zurück zu der Veranda mit den Ziegenfellstühlen und Baumwurzeltisch. Wieder einmal war ich davon beeindruckt, welch vielversprechende Projekte hier bereits laufen. Und mich begeisterte die Vision die hier zum Ausdruck kam, dass eigene Land anhand der Jugend zu verändern!
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