Posaunenchöre spielen bei Feierlichkeiten in Tanzania eine große Rolle!
Bei Hochzeiten wird häufig eine Posaunencombo angeheuert, die laut lärmend das Hochzeitspaar begleitet. Das sind dann meist 4-5 Bläser und eine Trommel. Gemeinsam improvisieren sie und es klingt vor allem ziemlich rhythmisch. Als ich das erste mal einen solchen Umzug erlebte, sagte mir der Pastor der Deutschen Gemeinde, der auch in Mwika unterrichtet, dass ich dafür meine Schüler ausbilden würde. Ich fasste das eher als ein Scherz auf, immerhin versuchte ich einen anderen „Style“ zu vermitteln.
Am Freitag nahm mich mein Musikkollege beim Chai zur Seite und meinte er müsse mit mir mal reden. Er hätte ein Schreiben bekommen, mit dem die Posaunenklasse zur feierlichen Examenszeugnisvergabe der Medizinstudenten vom KCMC (Kilimanjaro Christian Medical Center) in Moshi eingeladen würde. Wir würden gebeten, bei der Prozession der Examinanden behilflich zu sein, um einen feierlichen Rahmen zu bilden und das Evangelium Gottes weit in die Welt zu tragen.
Haken an der Sache wäre, es ginge morgen früh los. Aber das sei ja kein Problem, wir hätten ja schon zahlreiche Stücke geprobt und die Schüler seien solche Prozessionen gewöhnt. Nee, nach afrikanischer Auffassung war das auch kein Problem – denn Probleme gibt es eigentlich gar nihcht. Es ist nur die Frage wie man sich zu helfen weiß oder wie man mit der „Situation“ umgeht.
Treffpunkt für die Exkursion war 6.45h im Musiksaal mit gepackten Instrumenten (ausnahmsweise mal mit Koffern), Noten und ach ja Notenständer wären ja auch ganz gut. Das Dalla (für solche Fahrten bestellt die Bibelschule immer ein eigenes Dalla) war für Abfahrt um 7.00h bestellt und ich wurde instruiert, dass wir pünktlich los kämen. Mein Kollege wollte dann unterwegs einsteigen.
Am nächsten Morgen machte ich mich um 6.30h auf den Weg – für den Fall das was dazwischen kommen würde. Es war ein traumhafter Morgen, der Kilimanjaro zeigte sich in den ersten Sonnenstrahlen und in den riesigen Bäumen auf dem Bibelschulgelände saß ein Hornvogelpärchen.
Als ich den Musiksaal kam war noch alles so, wie wir es nach der Probe am Abend zurückgelassen hatten und nur zwei meiner Schüler waren in einem der Räume am Frühstücken. Etwas verwundert schauten sie mich an und verstanden nicht so recht warum warum ich schon da sei. Allmählich erwachte die Bibelschule zum Leben und vereinzelt stapften die Schüler zu den Waschräumen oder in den Kuhstall um sich Milch zu holen. Meine europäische Uhr tickte gewaltig und je näher die angesetzte Abfahrtzeit rückte, desto angespannter wurde. Die beiden Schüler waren inzwischen verschwunden, wie ich dachte um die anderen zu holen. Natürlich hatte ich nicht damit gerechnet, dass wir Punkt sieben losführen, aber immerhin wollten wir vor Beginn der Veranstaltung um 9h noch im KCMC frühstücken und mit 1-1,5 Stunden Fahrtzeit mußte man nach Moshi auch einrechnen. Schließlich versuchte ich meinen Kollegen anzurufen um ihn mitzuteilen, dass das Dalla noch nicht da sei – natürlich erreichte ich ihn nicht. Auch 10 Minuten später nicht. Doch im selben Moment als ich aufgelegt hatte bog ein Motorrad in die Bibelschule ein und ich war mir sicher, dass er das wohl wäre.
So war es auch und die Anspannung fiel von mir ab, immerhin war ich nun nicht mehr verantwortlich, wenn wir zu spät kämen. Letztlich kamen wir um kurz vor acht los, hatten eine ziemlich rasante Fahrt in die Stadt und nahmen uns einfach noch die Zeit zu frühstücken. Fortan schaute ich einfach nicht mehr auf meine Uhr und wurde merklich entspannter.
Nachdem sich die Absolventen (allesamt in weitwallenden, violetten Talaren), die Pastoren und der Kreuzträger (wohlgemerkt: die afrikanischen Lutheraner legen großen Wert auf eine Unterscheidung von den Katholiken!) aufgestellt wurden ging die Prozession los. Die Bläser von der Bibelschule vorneweg, dann die Hauptakteure und anschließend eine Schar von Angehörigen. Alles wohl gesäumt und begleitet von verschiedensten Fotografen, Videocameras und unzählige Handyreporter. Seit meiner Schützenbläserzeiten war es das erste Mal, dass ich wieder marschieren sollte. Gemeinsam mit meinem Musikkollegen „durfte“ ich den Zug anführen. Auf meine Frage was wir denn spielen, meinte er, „ach nur die bekannten Stücken!“
Es stellte sich bald heraus dass er und ein weitere Schüler die Stücke sehr wohl kannten und wir anderen lernten sie dann einfach spielerisch. Insgesamt war es ein Mix aus Chorälen, die nach dem Schema Vorspieler-Nachspieler möglichst laut gespielt wurden und freien Improvisationen zu wohl afrikanischen Rhythmen.
Wieder einmal erlebte ich das Phänomen, dass man sich in Afrika wohl in einer Gruppe kaum schämt und so versuchte auch ich mich nicht verunsichern zu lassen, meinen Gang ein wenig lockerer erscheinen zu lassen und das Bad in der Menge ebenso zu genießen wie mein Kollege.
Der Zug ging übers komplette Klinikgelände bis zum Gottesdienstplatz, wo drei Zelte rechtwinklig aufgebaut waren. Eines für die Absolventen und Angehörigen, eines als Altarraum, wo nach dem Gottesdienst der Hightable eingenommen wurde, und eines für die Musik und andere Akteure. Nun saßen wir uns also gegenüber und die eigentliche Feierlichkeit konnte beginnen. Und die war auch wirklich feierlich. Angefangen von dem Gottesdienst, über zahlreiche Reden, Beiträge und Kuchenzeremonie, bis hin zur feierlichen Zeugnisübergabe und anschließender Buffeteröffnung mit Darfupräsentation. So manches Mal musste ich ein wenig wehmütig an meinen eigenen Studienabschluss denken. Obwohl natürlich grade wir Theologen die Möglichkeit für einen Dankgottesdienst gehabt hätten, bekam ich mein Zeugnis per Post zu geschickt bzw. konnte meine Diplomurkunde zwischen Umzug und Streichen im Studierendensekretariat abholen.
So ganz habe ich den/das Darfu noch nicht verstanden; es ist jedenfalls die höchste Ehre die einer Gastfreundschaft zuteilwerden kann und die Umschreibung „Spanziege“ wird ihm sicherlich in keinster Weise gerecht, umschreibt es aber möglicherweise vorläufig am vorstellbarsten.
Bei der ganzen fast 5stündigen Zeremonie habe ich fast vergessen, dass ich als einziger Europäer unter hunderten Afrikanern teilnahm. Erst beim Buffet wurde es mir wieder bewusst, als mir mit einem breiten Lächeln die größten Happen aufgelegt, und mein Teller liebevoll mit Tomaten und Gurken dekoriert wurde. Ich war ganz froh, dass keiner meiner Family mich vom Buffet weggehen sah, denn diesmal hatte ich eindeutig den gehäuftesten Teller. Ein wenig stolz bin ich schon, dass ich nicht nur alles geschafft habe und selbst das wehrhafteste Fleischstückchen bewältigen konnte, sondern vor allem recht professionell nur mit Löffel oder einer (!) Hand als Esswerkzeug zurechtkam.
Als am Ende auch noch der Blick auf den Kilimanjaro frei wurde, war ich gänzlich überwältigt.
An diesem Tag glaube ich, kam ich ein gutes Stückchen mehr in Tanzania an! Nicht nur weil ich um zahlreiche Lernerfahrungen reicher wurde, sondern auch weil ich merkte, wie relativ gut ich mittlerweile mit der Sprachbarriere zurechtkomme und wie sie merklich kleiner wird.
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