Mit meiner Musikklasse haben wir diese Woche unsere Abschlussfahrt zu einem Orgelbauer gemacht. Über die deutsche Gemeinde hatten wir die grandiose Möglichkeit bekommen, eine frisch aufgebaute Orgel kurz vor dem Verpacken zu besichtigen. Meine Kollegen waren von der Idee ziemlich angetan, hatte doch keiner der Schüler zuvor eine Pfeifenorgel gesehen.
Die Planung lief gut tanzanisch ab und ich lernte eine Menge über „eingeladen sein“ und „Reisevorbereitungen“. Doch letztlich kamen wir sogar so pünktlich an, dass meine Schüler eine Mitgefühlsbekundung ob der stressigen Reise ernteten – wir hatten tatsächlich nur eine Stunde Verspätung. Dass wir zwischendurch ein Dalla auf die kürzere und dadurch schnellere Wegstrecke gebracht hatten (einer meiner Schüler kannte den Fahrer) und natürlich prompt von der Polizei angehalten wurden (etwas Kleingeld kann regelrechte Wunder bewirken), und nach dem Umsteigen erst am Stadtrand von Moshi feststellten, dass einer der Schüler noch beim Chai saß, weswegen wir eine Viertelstunde im Dalla (diesmal von meinem Kollegen im Colarhemd organisiert) auf ihn warteten und so womöglich nicht in einen Verkehrsunfall mit einem Tanklaster verwickelt wurden – dass war alles für meine Schüler überhaupt kein Thema, sondern scheinbar total normal.
Was nun folgte klingt vielleicht weniger aufregend – doch mich hat es noch mehr angerührt!
Meine Schüler konnten sich tatsächlich überhaupt nicht vorstellen, wie groß eine Orgel sein kann, geschweige denn, dass sie eine Hörvorstellung von ihrem Klang gehabt hätten. Ein wenig kam ich mir vor wie in „Schlafes Bruder“ als Elias sich an die Orgel heranwagt und schließlich der große Orgelwettbewerb in Worten geschildert wird.
Beim Anblick der großen Basspfeifen gingen den Schülern die Augen über. Wie sehr mussten sie über den Sound lachen, der erzeugt wurden, als Reiner diese per Mund anblies. Dieses Lachen wandelte sich aber in grenzenloses Staunen, als wir die Orgelwerkstatt betraten und sie dort das Instrument mit hunderten solcher Pfeifen aufgebaut sahen.
Nach einem kleinen Rundgang um das Instrument setzte sich Reiner an die Orgel und demonstrierte das Spielprinzip, bis er schließlich alle Register gezogen hatte. Die Schüler waren einfach sprachlos ob des Klanges. Ich kann nur schwer sagen, was sie in diesem Moment dachten. Einige lehnten auf dem Gerüst und schauten gebannt auf Finger und Füße, andere versuchten die Orgelpfeifen zu identifizieren und andere wollten jeden Ton mit der Kamera einfangen.
Der für mich rührendste Moment war, als sich einer der Schüler sich selbst auf die Orgelbank setzen durfte und seine auswendig gelernten Klavierstücke zu spielen begann. Nach anfänglicher Scheu spielte er sich frei und versank förmlich in der Orgel. Ab und an huschte ein Lächeln über seine Lippen und entspannte das konzentrierte Gesicht, ehe er wieder völlig in die Musik einzutauchen schien. Immer neu probierte er die Registratur und auch das Pedal aus, bis er schließlich mit Tränen in den Augen vor dem Spieltisch sitzen blieb, einen Augenblick verharrte, aufstand, seine Schuhe wieder anzog und sich dann auf die Fensterbank setzte.
Letztlich durfte jeder sich einmal versuchen und jeder war auf seine Weise angetan von diesem Erlebnis. Zufällig erfuhr ich, dass einer meiner Schüler aus der Kirche stammt, wo diese Orgel nun eingebaut werden soll und genau deswegen zu uns nach Mwika in die Kirchenmusikerausbildung geschickt wurde. Der Schlawiner hatte natürlich nichts davon erzählt.
Ehe wir zur obligatorischen Soda eingeladen wurden, trugen wir uns noch ins Gästebuch ein und bekamen einen Einblick in die Bauzeichnungen der Orgel.
Nachdem wir uns verabschiedet hatten zogen wir weiter in das Studio eines meiner Schüler. Auf dem Weg dorthin trafen wir noch seinen Producer, der die frohe Botschaft verkündete, dass das Mittagessen schon so gut wie fertig sei. Dementsprechend kurz viel der Besuch in dem Studio aus – hatten wir doch noch einen „kleinen“ Fußmarsch vor uns („fragt man einen Chagga nach dem Weg so sind es immer noch ungefähr 22 - Minuten oder Kilometer“). So hatten wir uns das Mittagessen auch redlich verdient.
Die Dallafahrt zurück war weniger aufregend als die Hinfahrt – gab’s jetzt doch keinen weiteren Zeitdruck mehr und waren alle ziemlich impressed von dem Gesehen und Gehörtem.
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