Samstag, 23. Oktober 2010

Bei Mchungajis zu Haus‘

Mchungaji ist in Tanzania die Bezeichnung für den Pastor.

Wie kann man sich das Leben in einem tanzanischen Pastorat vorstellen? Bei meinem Musikkollegen durfte ich das nun wieder einmal miterleben.

Natürlich gehören zum Pastor eine Frau und viele Kinder. Auch wenn mein Kollege noch relativ jung ist, so stellte er mir eine ganze Schar von Kindern und Jugendlichen als seine Kinder vor, die ihn auch alle mit Baba anredeten.

Und natürlich gehören zum „Pastorat“ auch eine Kuh und ein paar Ziegen, ein Garten mit Bananen, Kaffee, Kartoffel, Bohnen und Mais und - ohne Frage - Hühner. Es gab Zeiten da brauchte er eigentlich nur Zucker und Salz zum täglichen Bedarf dazukaufen. Selbst die Sonnenblumen für das Öl hatte er auf seiner Shamba selbst angebaut und anschließend in der Dorfmühle pressen lassen.

Als wir beim obligatorischen Chai saßen fragte ich ihn nochmal nach seinen Kindern. Ja, also – natürlich sind das nicht alles seine leiblichen Kinder. Aber mittlerweile sind es so gut wie seine Kinder geworden. Zwei von ihnen hat er nach dem Tod seines Bruders aufgenommen. Eine weitere Tochter hat ihn adoptiert und beendet in diesem Jahr ihre Evangelistenausbildung an der Bibelschule und lebt auch dort in den Dormitories. Dafür war aber grade ein anderer Sohn da, der eigentlich in Dodoma studiert, aber jetzt in den Semesterferien in den Secondaryschool vor Ort unterrichtet. Draussen war eine seiner Töchter dabei zu kochen. Sie kommt aus ziemlich einfachen Verhältnissen und hat angefragt, ob sie nicht bei ihm wohnen könnte. Er würde sie gerne wieder zur Schule gehen lassen, doch momentan weiß er noch nicht wie er das Schulgeld finanzieren soll. Genauso wie für eine weitere ältere Tochter, deren Mutter im vergangenen Jahr an HIV gestorben ist und die seitdem bei ihm mit lebt. Glücklicherweise ist in diesem Jahr die Maisernte sehr gut ausgefallen, vielleicht kann er den Mais mit etwas Gewinn verkaufen. Zusätzlich hat er in der vergangenen Woche mit einem Hühnerprojekt angefangen.

In einem Nebenzimmer hatte er ein kleines Gehege abgegrenzt aus dem es laut fiepte. 150 Küken hat er gekauft und die will er nun groß ziehen. Wenn alles gut geht fängt er in zwei Wochen an die ersten Hühnchen zu verkaufen und je näher es an Weihnachten rückt, um so mehr wird er auch verkaufen können. Vor Weihnachten finden die Konfirmationen statt und da werden Massen von Hühnchen gegessen – und die müssen schließlich irgendwoher kommen. Vielleicht hat er dann im Januar das Schulgeld für ein Jahr zusammen.

Als wir zurück in das Wohnzimmer kamen, wurden wir schon händeringend von Joshua gesucht. Dicht hinter ihm folgte die erstgeborene Tochter, die tränenüberströmt war. So ganz hab ich den Grund des Unglückes nicht verstanden – aber an der Duka hatte sie etwas kaufen wollen und irgendetwas ist da schief gelaufen. So schlimm war’s letztlich aber doch nicht, denn mit einem Funkeln in den Augen fragte sie, ob sie mir das Mtoto (Kind) zeigen dürfe.

Natürlich! Das war ja der Grund meines Besuches. Vor einer Woche ist er zum zweiten Mal Vater geworden und seine Frau war grade aus dem Krankenhaus entlassen worden. Wenig später hatte ich ein Wolldeckenbündel auf dem Schoß, in dem seelenruhig der jüngste Nachwuchs schlief. Etwas überrascht war ich über die Hautfarbe schon, die sich nicht großartig von meiner Hand unterschied. Später wurde ich belehrt, dass die tanzanischen Kinder „im Laufe der Zeit noch nachdunkeln“.

Auf die Frage wie es denn heißen würde bekam ich zunächst die Antwort „Sijui“, gefolgt von „bado kidogo“. Als ich diese Namenskonstellation mit einem Augenaufschlag quittierte brach auch mein Kollege in schallendes Gelächter aus. Sie haben sich „noch nicht ganz“ (bado kidogo)entscheiden können und „wissen es nicht“ (sijui). Sijui Bado Kidogo fand es wohl selbst gar nicht so lustig und quittierte ihrerseits den Scherz mit einer Demonstration ihres Lungenvolumens. Daraufhin musste sie die Männerrunde verlassen und durfte wieder zu ihrer Mama zurück.
Inzwischen war das Abendbrot fertig gekocht und der Strom endgültig ausgefallen. Also aßen wir den Bananeneintopf beim Schein einer Diodenlampe, was dem Geschmack und der Stimmung aber keinen Abbruch tat.

Ehe ich mich nach dem Essen auf den Heimweg begab, setzten wir uns noch mal zusammen und feierten eine kleine Abendandacht. Schon bei einem vorherigen Besuch fühlte ich mich davon irgendwie an Familie Luther und das Vorbild für das protestantische Pfarrhaus erinnert. Es hat mir ziemlich imponiert, mit welcher Selbstverständlichkeit Kinder aus schlechteren Verhältnissen aufgenommen wurden und ihnen hier die Möglichkeit für eine vielversprechendere Zukunft gegeben wurde. Auch wenn mein Kollege nicht genau weiß, wie er jedem eine Schulbildung ermöglichen kann, sieht er seine Möglichkeiten als großes Geschenk an, und von dem möchte er so viel wie möglich weitergeben. Das sei zwar nicht immer einfach, doch er vertraut darauf, dass sich irgendeine Lösung ergibt.

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