Freitag, 30. April 2010

„Angeliter“ in Afrika

Nun ist es schon fast wieder eine Woche her, dass ich in Moshi einen Zwischenstopp auf dem Weg nach Arusha eingelegt habe. Wie die Zeit derweil noch rast. Der Tag hat hier tatsächlich nur 12 Stunden, denn um 18.30h ist es so dunkel, dass man nicht mehr mit Tageslicht lesen kann und erst ab bummelig 6.30h ist es wieder so hell, dass man sich an den Schreibtisch setzen könnte. So verfliegen die Tage und ich wunder mich über mein permanentes Schlafbedürfnis.

Nachdem ich beim Filmabend der deutschen Gemeinde in Moshi Angelika Wohlenberg kennengelernt habe, bin ich vergangenes Wochenende ihrer Einladung gefolgt, mir einen englischen Gottesdienst mit Puppenspiel anzuschauen. Da der Weg von Mwika nach Arusha mit dem Dalla gut 4h dauert hat sie mich kurzerhand am Telefon eingeladen schon am Abend vorher zu ihr nach Tengeru zu kommen - „Wir Angeliter müssen ja zusammenhalten!“ (ich wußte gar nicht, dass Angeln bis an die Westküste reicht – naja beim diesjährigen Posaunentag wird ganz Nordelbien in Angeln zu Gast sein ;-))

Das war der reinste Abenteuerurlaub für mich, denn das bedeutete die erste eigenständige Fahrt mit dem Dalla. Wobei das Einsteigen weniger das Problem ist als das Aussteigen, denn Anhalten tun die Dallafahrer nur, wenn der Condactor („Schaffner“) jemanden am Wegesrand einsammelt oder wenn man zu verstehen gibt, dass man aussteigen möchte. Dafür muss man allerdings wissen, wo man sich grade befindet und wie der Ort heißt wo man raus will. Ein einfaches „hapa“ (hier) ist da eher weniger hilfreich. Glücklicherweise wollte die Mama neben mir auch in Tengeru aussteigen und so war ich relativ entspannt auf der Fahrt von Moshi nach Arusha. Der Weg führte mich auch vorbei an Usa-River, wo ich vor zwei Jahren schonmal gewesen bin, und weckte viele schöne Erinnerungen an diesen ersten Besuch in Tanzania.
In Tengeru ausgestiegen, meldete ich mich bei Angelika, die mir vorschlug ihr doch schon einfach mal auf der „Hospitalstraße“ entgegen zu kommen, sie würde sich dann direkt auf den Weg machen. Die Hospitalstraße würde direkt auf der anderen Straßenseite den Berg hinaufführen. Da mir gegenüber sogar ein geteerter Weg nach einer kleinen Sänke den Berg hinaufführte entschied ich, dass das die entsprechende Straße sein musste und tatsächlich führte sie schließlich auch an einem Krankenhaus vorbei. Wiedermal war ich nicht der einzige Fußgänger – die Füße sind das wichtigste Transportmittel in Afrika – aber der einzig Weiße, und so blickte ich in zahlreiche interessierte Gesichter auf denen sich meistens ein, für mich schwer zu deutendes, Grinsen breit machte. Wie glücklich war ich, als mir endlich ein weißer Landrover mit einer blonden Frau auf dem Beifahrersitz entgegenkam. Natürlich war es nicht der Beifahrer, sondern die Fahrerin, wiedermal bin ich auf die linksgelenkten tanzanischen Autos reingefallen.

Nachdem Angelika den Wagen gewendet hatte und ich eingestiegen bin, gings los durch die Bananenstauden. Hier war der Weg nun nichtmehr geteert und nach europäischen Ermessen fuhren wir auf einem Feldweg. Dem Betrieb zur folgern war es aber ein wohlbelebter Verbindungsweg zwischen den einzelnen Höfen. Später machten wir hier noch einen kleinen Erkundungsspaziergang und während ich versuchte auf dem glitschigen Boden nicht auszurutschen marschierte Angelika munter in Sandalen vorneweg und grüßte die entgegenkommenden geradezu singend. Schließlich bogen wir in einen kleinen Seitenweg ein und plötzlich stoppte sie. Ein riesiges, gut 1,5m tiefes Loch klaffte im Boden. Kurzerhand kletterte sie an der Seite, sich im Dornengestrüpp festhaltend, daran vorbei. Ich nutzte die andere Seite und konnte so durch das ganze Loch auf die andere Seite des Gestrüpps blicken. Wahrscheinlich hatte einer der letzten Regenschauer hier sich seinen Weg gesucht und auch gefunden.

Uns eröffnete sich nun ein traumhafter Blick. Das Wasserrauschen hatten wir schon von weitem gehört und jetzt standen wir am Wasserlauf, der urwaldartig zugewachsen war. Vor uns lagen die Baumkronen, Bananenstauden wuchsen von unten herauf und über allem lag ein leichter Dunstschleier. „Hier würde ich gerne einfach Tarzan spielen und mich an einem Seil auf die andere Seite schwingen – aber das kann ich ja nicht, sonst würden das die kleineren Kinder auch versuchen“, sagte Angelika und fragte im gleichen Atemzug, ob ich runter an den Fluß wollte.

Wieder kämpfte ich mit dem Boden, während sie schon unten am Wasser stand. Wiedereinmal hatte mich Afrika total geflasht und eigentlich hätte ich hier bleiben können. Doch es ging schon gegen späten Nachmittag und wir mussten noch zurück. Für mich, quer durch Bananenhainen, Bohnen- und Maisfelder gings zurück, vorbei an Häusern, wo Kinder im Türeingang spielten, Hühner scharrten und Hunde bellten. In einem Bananenhain sahen wir zwei weiße Steingräber – hier gibt es nur wenige Friedhöfe, die meisten Verstorbenen werden im eigenen Garten beigesetzt.

Von hinten, durch den Hundezwinger kehrten wir zurück zum Haus und während ich auf der Veranda im Ziegensessel sitzend, den Sonnenuntergang genoß, klang aus dem Tal, wie bei meiner Oma in Obersdorf eine Kirchenglocke herauf. Aus der Küche drang der Duft frisch gebratener Zwiebeln und wenig später – inzwischen war es draußen schon dunkel geworden – saßen wir zusammen am Tisch und aßen Spaghetti mit Tomatensoße und Schweinefleisch (in Afrika etwas ganz besonderes, normalerweise gibt es Rindfleisch).
Während Angelika noch den Gottesdienst vorbereitete und ihr Theaterstück konzipierte las ich weiter in einem Kinderbuch über ihre Arbeit. Sie wollte später noch einen Film schauen, doch von den ganzen Eindrücken war ich wiedermal hundemüde und verabschiedete mich. Zuvor nahm ich aber noch ein afrikanisches Bad, um den ganzen Staub der Fahrt abzuwaschen. Erst am nächsten Morgen wurde ich von Küchengeräuschen wach und schälte mich unter dem Moskitonetz hervor.

Nach einem wahren Sonntagsfrühstück mit Mango, Birnen, frischen Eiern und Sauerteigbrot wurden die Sachen für den Gottesdienst zusammen gepackt. Während dessen erklangen aus dem Schlafzimmer Trompetentöne, bei nicht ganz sauberen Passagen abgebrochen und mit „pole“ (Entschuldigung) kommentiert und direkt weiter gespielt. Schließlich kam Angelika ins Wohnzimmer und fragte mich, ob ich nicht im Gottesdienst Trompete spielen könne. Sie würd noch versuchen eine weitere Trompete aufzutreiben und dann würden wir die Lieder einfach gemeinsam begleiten. Gesagt getan und schon telefonierte sie rund und hatte binnen Kurzem ein weiteres Instrument aufgetan. Vollgepackt mit Puppentheater, Gitarre und Trompete machten wir uns auf den Weg, noch einige Schülerinnen aus dem Internat abzuholen. Als die vier Mädels eingestiegen waren, wurden sie sofort gefragt, wer denn eine Lesung übernehmen könnte, wer einen Psalm liest und wer ein Lied mit Mikrophon singen könnte. Hätte ich aus Deutschland großes Geziere erwartet kam von hinten der Reihe nach direkt ein fröhliches „Me!“.

Nach dem die Aufgaben verteilt waren erklang bald von hinten munteres Gesumme und Gesinge und so fuhren wir nach Arusha, kamen bei der Church an, luden aus und bauten alles auf. Schließlich wurde der Mikrophontest gemacht, die Puppenspielerin verkabelt und kurz vor Beginn kam die Nachricht, dass die Klavierspielerin leider zu einem Notfall raus mußte, ob wir nicht einfach alle Lieder begleiten könnten. Groß Zeit zum anspielen gab’s nicht und mit gewohnter äquatorialer Gelassenheit begann der Gottesdienst.

Absolutes Highlight für die Kids und ihre Eltern war das Puppentheater über den guten Hirten. Da gab’s dann nicht nur ein Krokodil (zwar gehört es ja zu jedem ordentlichen Kasperltheater – doch hier wirkte es wirklich alltagsnah), eine touristenveräppelnde Zebraboygroup und einen rülpsenden Raben, sondern auch jede Menge Interaktion für die Kids und Lacher für die Erwachsenen. Nach dem Gottesdienst kam dann die Frage auf, ob tatsächlich nur eine Puppenspielerin hinter der Bühne gehockt habe, oder ob nicht doch noch jemand zweites zumindest die Stimmen imitiert hätte. In der Tat war das Puppenspiel schon faszinierend und die Message vom guten Hirten, wird wohl kaum jemand wieder vergessen. Und sei es wegen des rülpsenden Rabens oder des Alltagsbezug anhand des zu schnell und rücksichtslos fahrenden Motorradfahrers.

Nach dem Gottesdienst, als alles wieder im Wagen verstaut, die selbstgehäkelten Schafe an die kleinen Gottesdienstbesucher verteilt und der Tee ausgetrunken war, fuhren wir zurück Richtung Tengeru. Im Mädcheninternat gab’s anlässlich der Rückkehr von Jutta ein Festessen. Aufgrund „der Wolke“ konnte sie erst mit einer Woche Verspätung wieder aus Deutschland zurückkommen. Weil sie so vermisst wurde und sie sich freute endlich wieder zurück zu sein, gab’s Kuku mit Chipsi auf dem offenen Feuer fritiert (Pommes mit Hähnchen). Hähnchen und Pommes ist man besonders in Afrika am besten mit den Händen, zumindest die Erwachsenen waren sich darin einig. Die Mädchen nutzten nicht nur für den Gurkensalat das Geschirr…

Bevor ich mich wieder auf den Weg nach Moshi machte, um 17h hätte ich spätestens den letzten Dalla erreichen müssen, um noch auf den Berg zurück zu kommen, wurde mir bei Ingwertee die Arbeit von „Hilfe für die Massai“ erläutert. Der Idealismus und die Herzlichkeit hat mich schon ziemlich überwältigt. [...] Doch auch hier bin ich gespannt, welche Erfahrungen ich noch sammeln und welche Gespräche ich noch führen werde. Meist ergeben sich diese Gespräche spontan und unerwartet, wie z.B. am Donnerstagmorgen, als einer der Medizinpraktikanten vom KCMC bei uns am Frühstückstisch saß und ich zwischen NT und Griechisch mich mit ihm über die Fragen unserer Generationen in den jeweiligen Kontinenten austauschen konnte, nachdem er das Gespräch mit der Frage eröffnete: „What is the interest of your generation?“

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